Boehringer, Robert
BiographieRobert Boehringer kam am 30. Juli 1884 in Winnenden auf die Welt. Er wurde in eine Familie von Unternehmern hineingeboren, die seit Anfang des 19. Jahrhunderts vor allem im pharmazeutischen Bereich tätig waren. Sein Vater, Paul Adolf Boehringer, war Inhaber einer kleinen chemischen Fabrik in Winnenden. Und dessen Cousin Albert Boehringer gründete 1892 das Unternehmen C. H. Boehringer Sohn in Ingelheim, welches als Boehringer Ingelheim noch heute tätig ist.
Robert Boehringer, der später aufgrund seiner breit gefächerten Tätigkeiten und seinem vielfältigen Wirken als „uomo universale“ bezeichnet werden sollte, verbrachte einen Teil seiner Kindheit in seinem Geburtsort, im „elternhaus am blumigen weg“. Eine Referenz an die damalige Blumenstraße, die sich heute Robert-Boehringer-Straße nennen darf. So war Robert Boehringer nicht nur Dichter und Wissenschaftler, sondern wurde auch als pharmazeutischer Berater, Fabrikleiter und Archäologe tätig.
Seine Erinnerungen an die Heimatstadt und die Zeit des Aufwachsens in Winnenden hielt er in vielen Gedichten fest. Verse aus Gedichten wie „Winnenden“, „Heimat“, „Frühe Gänge“ und „Am End der Welt“ lassen Boehringers Leben in Winnenden und die Stadt selbst erklingen. Auch weitere Verbindungen zu Winnenden fanden immer wieder Eingang in Boehringers Texte. So auch das „Denkmal für den Mops, der seinem Herrn nachlief von Belgrad bis Winnental“, das beim Schloss Winnental steht, der damaligen Heil- und Pflegeanstalt. Heute befindet sich darin das Klinikum Schloß Winnenden. In dessen Schlossgarten durften die Boehringer-Geschwister spielen, da ihre Eltern mit den Ärzten und dem Verwalter bekannt waren. Dies ist auch der Ort, an dem er während des Ersten Weltkriegs seine jüngere Schwester Emma besuchte. Sie starb 1919 in Winnental. Ihr widmete er das Gedicht „Winnental“.
Auch wenn Boehringer mit elf Jahren aus Winnenden weggezogen war, hatte er sich, wie Alt-Oberbürgermeister Hermann Schwab 1984 schrieb, seinem Heimatort „immer zugehörig gefühlt. So hat er zum Beispiel im Jahre 1932, als er schon in der Schweiz wohnte, nach der Geburt seiner Tochter Konstanze den Eintrag im hiesigen Familienregister veranlaßt“ oder hat die Stadt „immer wieder bei seinen Reisen [...] besucht und, wenn auch unerkannt, die Stätten seiner Kinder- und Jugendzeit aufgesucht.“
In Winnenden besuchte Boehringer die Elementar- und Lateinschule, bevor die Familie zunächst nach Hamburg und schließlich nach Basel in die Schweiz, „an das knie des Rheins“, zog. An der dortigen Universität begann Boehringer 1901 sein Studium der Nationalökonomie, Geschichte sowie Literatur- und Kunstgeschichte, welches er 1910 mit einer Promotion abschloss. Als junger Student wurde er dort auch dem Dichter Stefan George vorgestellt, womit „sein jahrelang sehnlichster Wunsch in Erfüllung“ ging. Aus dieser Begegnung entwickelte sich eine lebenslange Freundschaft, die Boehringer auch über den Tod des Dichters hinaus prägen und begleiten sollte. Testamentarisch als Erbe und Nachlassverwalter Stefan Georges bestimmt, ging Boehringer dieser Aufgabe nach dessen Tod 1933 nach und widmete sich dem Aufbau des Stefan George Archivs und der gleichnamigen Stiftung.
Dem Studium folgten zunächst einige Jahre in Berlin. Dann übernahm er von Kriegsausbruch 1914 bis Ende 1918 die Leitung der Firma seiner Vettern C. H. Boehringer Sohn in Ingelheim, da diese ins Feld rücken mussten. Auf die Zeit als Firmenleiter folgten nach dem Krieg eine Reihe von freien Jahren, die Boehringer in Würzburg verbrachte und während derer er sich mit dem italienischen Dichter Dante Alighieri (1265-1321) beschäftigte. Zeitlebens widmete er sich neben seiner Arbeit der Kunst, Literatur und Dichtung. Ein Interesse und eine Beschäftigung, die ihn als innerstes Anliegen begleiteten und wovon zahlreiche Veröffentlichungen zeugen. 1920 heiratete Boehringer seine Ehefrau Friederike Margarete, geb. Loeb, und zog ein Jahr später zurück nach Basel, wo er von 1921 bis 1930 die Funktion des Direktors der pharmazeutischen Fabrik F. Hoffmann-La Roche & Co in Basel, die heute unter dem Namen Roche bekannt ist, übernahm.
In den 1930er-Jahren folgten ein Lehrauftrag an der Universität Kiel, die Geburt seiner Tochter Konstanze in Freiburg im Breisgau und der Umzug der Familie nach Genf. Von dort aus engagierte sich Boehringer während des Zweiten Weltkriegs ehrenamtlich für das Rote Kreuz und zeichnete sich bei der Hilfe für die notleidende Zivilbevölkerung durch „sein Organisationstalent und seine Tatkraft“ aus. Nach seinem Ehrenamt beim Roten Kreuz blieb Boehringer weiterhin neben seiner schriftstellerischen Tätigkeit dem pharmazeutischen Bereich treu und nahm 1946 eine Stelle als pharmazeutischer Berater der Firma J. R. Geigy AG in Basel an. Diese Arbeit übte er bis zum Herbst 1970 aus und beendete seine Berufstätigkeit in seinem 87. Lebensjahr.
Neben vielen anderen Ehrungen und Auszeichnungen wurde Robert Boehringer 1954 auch das Ehrenbürgerrecht seiner Heimatstadt Winnenden verliehen – in Anerkennung „seiner wissenschaftlichen und dichterischen Arbeit, seiner Verdienste um die Bewahrung und Hebung der geistigen Kultur, seinem selbstlosen Einsatz im Internationalen Roten Kreuz und seinem unermüdlichen Eintreten für sein Heimatland und seine Menschen gerade in notvollen Zeiten“. Trotz der räumlichen Distanz blieb Boehringer seiner Heimatstadt stets verbunden, nahm „lebhaften Anteil am Geschehen der Stadt“ und ließ sich über alle wesentlichen Vorgänge auf dem Laufenden halten.
Am 9. August 1974 starb Robert Boehringer in Genf. Seine Asche wurde, auf seinen Wunsch, bei seiner Frau und Tochter auf einem Friedhof in Florenz beerdigt. In Winnenden ist er bis heute unvergessen. So fand anlässlich seines 100. Geburtstags 1984 in der Stadthalle eine Gedächtnisausstellung über ihn statt, zu der die Stadt auch einen Katalog herausgab. Neben der Robert-Boehringer-Straße erhielt eine frühere Werkreal- und dann Gemeinschaftsschule seinen Namen, die jedoch inzwischen mit der Ludwig-Uhland-Gemeinschaftsschule in Schwaikheim zu einer neuen Schule fusioniert wurde. Nicht zuletzt ist Boehringers Portraitbild Teil der Ehrenbürgergalerie im ersten Stock des neuen Rathauses.
Sara Schwarz