Otto Umfrid erblindete, wurde deshalb 1913 als Pfarrer der Erlöserkirche in Stuttgart pensioniert. Foto: Unbekannt.
Umfrid, Otto
Der württembergische Pfarrer Otto Umfrid polarisierte. Manche Zeitgenossen bezeichneten ihn als einen der hervorragendsten Theoretiker des Pazifismus, während er für andere ein „Friedenshetzer“ war. Nach seinem Tod geriet er schnell in Vergessenheit.
Otto Umfrid wurde am 2. Mai 1857 in Nürtingen als Sohn des Rechtsanwalts Otto Ludwig Umfrid geboren. Zu seinen Vorfahren gehörten die Reformatoren Johannes Brenz und Matthäus Alber. Von Jugend an prägte ihn das Denken des Naturphilosophen Karl Christian Planck (1819-1880). Insbesondere Plancks Ideen von einer Welt ohne Krieg und einer durch Rechtlichkeit begründeten Ordnung fanden später Eingang in Umfrids zahlreiche Veröffentlichungen.
Nach seinem Studium der evangelischen Theologie in Tübingen und dem zweiten Examen war er zunächst Pfarrer in Peterzell-Römlinsdorf im Schwarzwald. 1890 wurde er an die Martinskirche in Stuttgart berufen, ehe er von 1908 bis zu seiner Pensionierung 1913 das Pfarramt an der Erlöserkirche, ebenfalls in Stuttgart, versah.
In seinen von dem Theologen Walter Bredendiek zusammengestellten Lebenserinnerungen schreibt Otto Umfrid: „Die soziale Frage war eine Zeitlang mein Schmerzenskind gewesen. Da ich aber auf diesem Gebiet nicht durchdringen konnte und ich immer etwas haben mußte, wofür ich mich begeistern konnte, so wandte ich mich der Friedenssache zu.“ Bereits 1894 trat er der Stuttgarter Ortsgruppe der noch jungen Deutschen Friedensgesellschaft bei. In den darauffolgenden Jahren hielt er Vorträge und gründete weitere Ortsgruppen. 1900 wurde er schließlich zweiter Vorsitzender der Friedensgesellschaft.
Eine wichtige Rolle bei Umfrids Engagement spielte seine Publikationstätigkeit. Er verfasste mehrere hundert Aufsätze, die vor allem in der Monatsschrift „Die Waffen nieder!“ von Bertha von Suttner abgedruckt wurden. Suttner erhielt 1905 als erste Frau den Friedensnobelpreis.
Der Wissenschaftler Manfred Schmid charakterisiert das Werk des Pazifisten in einer Kurzbiographie folgendermaßen: „In seinen Anschauungen ging er stets davon aus, dass die Friedensbewegung eine doppelte Funktion hat, eine kritische und eine programmatisch-konstruktive. Kritisch müsste sie die Mythen über den Krieg entlarven, seine Ursachen aufdecken und sein Wesen erklären. Konstruktiv hätte sie zu zeigen, dass eine Welt ohne Krieg nicht nur ein Postulat der Moral und Vernunft wäre, sondern dass der auf Verträge und Vertrauen gegründete Dauerfriede auch realisierbar und damit eine Forderung und Aufgabe praktischer Politik sei.“
Mit seinen Äußerungen erregte Otto Umfrid immer wieder Anstoß. Am 14. Februar 1897 etwa sprach er im Gasthof Ochsen in Münsingen über „Die Friedensbewegung – eine weltbewegende Frage“. Infolgedessen erteilte die Kirchenleitung ihm einen Verweis.
1913 schlug Bertha von Suttner ihn für den Friedensnobelpreis 1914 vor. Doch konnte die Verleihung nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs nicht mehr stattfinden. Der Krieg beeinträchtigte Umfrids publizistische Arbeit. Seine 1916 in Zürich erschienene Aufsatzsammlung „Weltverbesserer und Weltverderber“ unterlag im Deutschen Reich der Zensur. Darin mahnt er u.a. eine Erziehung der Kinder und Jugendlichen zum Frieden an: „Ehrfurcht vor dem, was über uns ist, was uns gleich ist, was unter uns ist, aber besonders auch vor dem menschlichen Körper als einem unverletzlichen Heiligtum.“ Oder: „Es muss der Versuch gemacht werden, die jungen Leute zu selbständig und zum Teil auch kritisch denkenden und urteilenden Staatsbürgern zu erziehen.“
Otto Umfrids letzte Lebensjahre waren geprägt von körperlichem und seelischem Leiden. Am 23. Mai 1920 starb er im Alter von 63 Jahren in der Heilanstalt Winnental. In jüngster Zeit wird an den Pionier der Friedensarbeit wieder verschiedentlich erinnert.