01 Hieber_1940 ca Anna Hieber und Sohn Werner

Anna Hieber mit Sohn Werner um 1940. Foto: Privat.

Stadtarchiv Winnenden, Bildarchiv

Hieber, Anna

Biographie

Einleitung

In der Marktstraße 7 lebte bis 1945 Anna Hieber. Ihr Ehemann Albert Hieber war hier seit 1939 Inhaber einer Wirtschaft und Metzgerei. Vom 6. Juli 1944 bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs in Winnenden versteckte Anna Hieber mit Unterstützung insbesondere der benachbarten Bäckerfamilie Heinrich den jüdischen Juristen Dr. Robert Perlen. So entkam er der Deportation und überstand die nationalsozialistische Diktatur.

Als am 20. April 1945 US-Feldartillerie die Stadt beschoss, wurde Anna Hieber durch einen Granatsplitter getötet. Aus Anlass ihres 80. Todestags entstand diese Biographie. Zunächst wird auf das Leben Hiebers bis nach Kriegsbeginn eingegangen. Bei der Vita Robert Perlens interessieren vor allem die antijüdischen Maßnahmen des NS-Regimes, unter denen er ab 1933 zunehmend zu leiden hatte. Danach wird aufgezeigt, wie Anna Hieber und ihr Umfeld dem untergetauchten Rechtsanwalt halfen, zu überleben. Es folgt ein kurzer Blick auf das weitere Schicksal der Familie Hieber und des Ehepaars Perlen nach 1945. Abschließend werden Bemühungen der Winnender Stadtgesellschaft um Aufarbeitung des Geschehens und Erinnerung vorgestellt.

Anna Hiebers Leben bis nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs

03 Hieber_1910 ca Aichbühl bei Schussenried

Schussenried und Umgebung aus der Vogelschau um 1910. Zu sehen ist auch Aichbühl, der Heimatort von Anna Hiebers Mutter. Bild: Eugen Felle.

Wikimedia commons (gemeinfrei)
05 Hieber_o. D. Familie Reinhard

Die Familie Reinhard: In der Mitte Anna und ihre Mutter Sophie, daneben die Geschwister Therese, Juliana, Simon und Karl. Foto: Privat.

Stadtarchiv Winnenden, Bildarchiv

Anna Hieber wurde am 10. Juli 1907 in Stuttgart geboren. Ihre Mutter Sofie Raidler war eine ledige Dienstmagd katholischer Konfession. Sie stammte aus Aichbühl bei Schussenried im württembergischen Oberamt Waldsee. Am 3. August 1912 heiratete sie in Mainz am Rhein, das damals zum Großherzogtum Hessen gehörte, den ebenfalls katholischen Schreiner Simon Martin Reinhard. Von diesem erhielt Anna den Familiennamen. In den folgenden Jahren bekam das Ehepaar Reinhard zwei Töchter und zwei Söhne. Nach Simon Reinhards Tod am 5. Januar 1922 musste seine Witwe die Kinder alleine großziehen. Ein Neffe Annas, den die frühere ehrenamtliche Archivmitarbeiterin Helen Feuerbacher für einen 2013 in Band 13 der stadtgeschichtlichen Buchreihe „Winnenden – Gestern und heute“ veröffentlichten Aufsatz interviewte, erinnerte sich, dass die Familie im katholischen Milieu gut vernetzt gewesen sei. Dies mag zu einer gewissen Distanz gegenüber der NS-Ideologie beigetragen haben.

Über das Leben Anna Reinhards bis zu ihrer Eheschließung ist kaum etwas bekannt. Zeitzeugen erzählten Helen Feuerbacher, sie habe in einer Metzgerei in Esslingen am Neckar gearbeitet. Für eine junge Frau ihrer Herkunft war es damals üblich, „in Stellung“ zu gehen, also Tätigkeiten zu verrichten, die etwa in Haushalten des gehobenen Bürgertums anfielen. In Esslingen sei Anna überdies Robert Perlen begegnet, der dort aufgewachsen war und die Schule besucht hatte. Wann Anna Reinhard in die Stadt zog und wie lange sie als Einwohnerin gemeldet war, lässt sich heute nicht mehr rekonstruieren. Weder im Stadtarchiv Mainz noch im Stadtarchiv Esslingen ist eine Meldekarte mit entsprechenden Angaben vorhanden. Robert Perlen war bereits seit 1912 in Stuttgart ansässig, wie aus den dortigen Adressbüchern hervorgeht. Dass er seine Heimatstadt gelegentlich besuchte und es dabei zum Aufeinandertreffen mit Anna Reinhard kam, erscheint aber nicht unmöglich.

06 Hieber_1912 Perlen erste Wohnanschrift Stuttgart

Als Dr. Robert Perlen 1912 nach Stuttgart zog, war seine erste Wohnanschrift in der Hohenheimer Straße 2. Quelle: Erster Nachtrag zum Stuttgarter Adress-Buch für das Jahr 1912, S. 92.

Württembergische Landesbibliothek Stuttgart, Stuttgarter Adressbücher digital

Am 29. Oktober 1938 heiratete Anna Reinhard in der Winnender Nachbargemeinde Leutenbach den Metzger Albert Hieber. Wenig später, am 3. Februar 1939, kam in Waiblingen Sohn Werner auf die Welt. Anfang August des gleichen Jahres übernahm Albert Hieber laut Gewerbeverzeichnis eine Wirtschaft und Metzgerei in der Marktstraße 7 in Winnenden. Einen tiefen Einschnitt für die junge Familie bedeutete der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs. Zum 14. Juni 1940 wurde der Betrieb der Metzgerei und Gastwirtschaft von Annas Ehemann eingestellt, was sicher mit seiner Einberufung zum Militär zusammenhing. Ein Verwandter aus Leutenbach berichtete Helen Feuerbacher, Albert Hieber sei als Soldat unter anderem in der UdSSR gewesen.

Die Vita Robert Perlens bis zu seinem Untertauchen in Winnenden

12 Hieber_1924 Personalausweis Robert Perlen

Personalausweis von Perlen aus dem Jahr 1924.

Landesarchiv Baden-Württemberg, Abteilung Staatsarchiv Ludwigsburg, F 215 Bü 97

Ab Juli 1944 verwob sich Anna Hiebers Leben schicksalhaft mit demjenigen Robert Perlens. Perlen erblickte am 7. Oktober 1884 als Sohn des jüdischen Textilkaufmanns Emil Perlen und dessen Ehefrau Henriette, geborene Sänger, in Esslingen das Licht der Welt. Er hatte zwei ältere Brüder, die jedoch als Baby und im Teenageralter verstarben. Zwischen 1903 und 1907 studierte er Jura in Tübingen, Leipzig und Berlin. Die Große juristische Staatsprüfung bestand er mit der selten vergebenen Note „Ausgezeichnet“. 1912 bekam Perlen die Zulassung als Rechtsanwalt in Stuttgart, wo er auch seinen Wohnsitz nahm. Während des Ersten Weltkriegs war er Soldat an der Westfront. Danach wurde er Sozius von Rechtsanwalt Dr. Robert Mainzer, dessen Stuttgarter Kanzlei als eine der renommiertesten in Württemberg galt. Am 20. November 1926 heiratete er schließlich die evangelische, aus Braunschweig gebürtige Martha Gerke.

Die im Zuge der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten 1933 einsetzende antijüdische Politik verlief in mehreren Phasen. Sie zielte ab auf Ausgrenzung, Isolation, Vernichtung der wirtschaftlichen Lebensgrundlage. Pogromterror, Ghettoisierung, Deportation und schlussendlich auf die Ermordung der Jüdinnen und Juden in Deutschland wie Europa. Das rechtliche Fundament für die Verfolgung bildeten die sogenannten Nürnberger Gesetze, die am 15. September 1935 verabschiedet wurden. Zu ihrer Durchführung ergingen bis 1943 mehrere Folgeverordnungen.  

Robert Perlen verlor aufgrund der Maßnahmen Schritt für Schritt seine bürgerliche Existenz. Seine Meldekarte bei der Stadtverwaltung Stuttgart bekam den Stempel „Jude“. Des Weiteren wurde dem erfolgreichen Juristen die Anwaltszulassung entzogen. Seit 1. Dezember 1938 konnte er nur noch als Konsulent in Rechtsangelegenheiten von Personen jüdischer Herkunft tätig sein. Für die Zulassung, die sich auf die Landgerichtsbezirke Ellwangen, Heilbronn, Stuttgart und Ulm erstreckte, musste er eine Gebühr entrichten.

16 Hieber_1935 ca Perlen Meldekarte Stuttgart

Die Meldekarte Robert Perlens bei der Stadt Stuttgart wurde mit dem Stempel „Jude“ versehen.

Stadtarchiv Stuttgart, Einwohnerkartei
17 Hieber_1939 Perlen Rechtskonsulent

Mit Datum vom 5. Januar 1939 wurde Perlen vom Präsidenten des Oberlandesgerichts Stuttgart als jüdischer Konsulent zugelassen.

Landesarchiv Baden-Württemberg, Abteilung Staatsarchiv Ludwigsburg, E 336 II Bü 4

Im Januar 1939 wurde Perlens Eintrag im Heiratsregister der Stadt Stuttgart mit der Randnotiz versehen: „Der Nebenbezeichnete hat vorschriftsmäßig den weiteren Vornamen Israel angenommen.“ Ebenfalls 1939 war er zum letzten Mal mit Berufsbezeichnung sowie Wohn- und Büroanschrift im regulären Stuttgarter Adressbuch aufgeführt. Von da an beschränkten sich Angaben über ihn auf die städtischen Listen jüdischer Einwohner, die lediglich verwaltungsintern verwendet werden durften.

19 Hieber_1940 Zweite Judenliste Titelblatt

Titelblatt der zweiten Stuttgarter „Judenliste“, Stand Ende Mai 1940. Sie war nur für den Dienstgebrauch innerhalb der Stadtverwaltung gedacht.

Stadtarchiv Stuttgart, Bestand 178/1, lfd. Nr. 196
20 Hieber_1940 Perlen Eintrag zweite Judenliste

Eintrag Robert Perlens in der zweiten Stuttgarter Liste jüdischer Einwohner, mit dem zwangsweise angenommenen zweiten Vornamen „Israel“ und der Berufsangabe „Konsulent“.

Stadtarchiv Stuttgart, Bestand 178/1, lfd. Nr. 196

Von welchen Diskriminierungen Robert Perlen darüber hinaus betroffen war, geht hervor aus seiner im Staatsarchiv Ludwigsburg vorliegenden Akte bezüglich Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts. So beantragte er nach 1945 eine Entschädigung für Aufwendungen infolge erzwungener Umzüge. Im Oktober 1939 musste er zunächst seine Wohnung in der Alexanderstraße 78 aufgeben und in die Wernlinstraße 1 umzuziehen. Dieses Haus gehörte einem jüdischen Eigentümer, der später in die Schweiz auswanderte. Dann wurde es vom Reich eingezogen. Im Frühjahr 1942 musste Perlen als letzter verbliebener Mieter seine Wohnung räumen. Die Geheime Staatspolizei wies ihn an, in die Marienstraße 38 zu ziehen, wo sich sein Büro befand. Das Gebäude wurde bei einem Fliegerangriff völlig zerstört. Obwohl in einer sogenannten Mischehe lebend, stand er als Träger des Judensterns nun in Gefahr, deportiert und ermordet zu werden. Sein früherer Kanzleipartner Robert Mainzer war bereits 1943 in Theresienstadt zu Tode gekommen. Um einem solchen Schicksal zu entgehen, tauchte Perlen in Winnenden unter.

Versteckt und unterstützt von Anna Hieber und deren Nachbarn

21 Hieber_1970 ca Häuser Marktstraße 7 und 9

Winnenden: Blick auf die Häuser Marktstraße 7 (mit Wirtshausschild) und 9 (Bäckerei rechts daneben), um 1970. Foto: Oskar Kober.

Stadtarchiv Winnenden, Bildarchiv

Während Robert Perlens Frau eine Wohnung in der Schorndorfer Straße 56 bezog, versteckte ihn Anna Hieber bei sich in der Marktstraße 7. Abends oder nachts war er in der Küche und im Gastraum der ehemaligen Wirtschaft, tagsüber meist im Keller. Alfred Hieber, ein Verwandter von Annas Mann, erinnerte sich 2009 im Gespräch mit Helen Feuerbacher an diesen Keller: „Gleich hinter dem Ausschank in der Wirtschaft ging eine Treppe runter in den Wirtschaftskeller, der war sehr groß und unübersichtlich, da standen viele Fässer. Im hinteren Teil des Kellers gab es einen engen Schlupf, davor stand ein Schrank, durch den Schlupf konnte man hindurch und dann kam nochmals ein kleiner Keller, der ragte bis unter die Marktstraße, das war der Eiskeller, da konnte man sich verstecken.“ (zitiert nach: Winnenden – Gestern und heute, Bd. 13, S. 86)

Zum Ausweichen im Notfall wurde eine kleine Dachkammer in der Bahnhofstraße ausgekundschaftet. Verpflegung erhielt Perlen von Anna Hieber und ihren Nachbarn, der Bäckerfamilie Heinrich. Sie sorgten außerdem dafür, dass die Eheleute Perlen Gelegenheit hatten, sich zu sehen. Martha Hengel, Tochter des Bäckermeisters Ernst Heinrich, erzählte: „Frau Perlen kam oft zu meinen Eltern in die Bäckerei Heinrich und konnte so den Kontakt zu ihrem Mann halten.“ (zitiert nach: Winnenden – Gestern und heute, Bd. 13, S. 86)

Quellen über Einzelheiten des Geschehens existieren keine. Tagebuch zu führen oder Briefe zu schreiben wäre lebensgefährlich gewesen. Doch hat sich im Stadtarchiv eine Meldekarte erhalten, die den Aufenthalt von Robert und Martha Perlen in Winnenden belegt.

22a Hieber_1945 ca Meldekarte Perlen Winnenden-V

Diese Meldekarte bestätigt den Aufenthalt der Eheleute Perlen in Winnenden. Sehr wahrscheinlich wurde sie erst nach Kriegsende 1945 offiziell angelegt.

Stadtarchiv Winnenden, Meldekarten Winnenden
22b Hieber_1945 ca Meldekarte Perlen Winnenden-R

Diese Meldekarte bestätigt den Aufenthalt der Eheleute Perlen in Winnenden. Sehr wahrscheinlich wurde sie erst nach Kriegsende 1945 offiziell angelegt.

Stadtarchiv Winnenden, Meldekarten Winnenden

Das weitere Schicksal Robert Perlens und seiner Helferin nach 1945

24 Hieber_1945 Sterbeeintrag Hieber Winnenden

Anna Hiebers Tod wurde dem Standesamt Winnenden durch ihre Schwägerin Luise Schock aus Leutenbach angezeigt.

Stadtarchiv Winnenden, Sterbebuch Winnenden 1945

Der Zweite Weltkrieg in der Stadt endete in der Nacht vom 20. auf den 21. April 1945 mit der Besetzung durch die Amerikaner. Anna Hieber erlebte das nicht mehr. Bei der vorausgegangenen Beschießung hatte sie ein Granatsplitter tödlich verletzt. Von Zeitzeugen ist überliefert, dass sie auf der Suche nach ihrem fünfjährigen Sohn Werner gewesen sei. Beim Standesamt Winnenden angezeigt wurde Hiebers Tod von ihrer Schwägerin Luise Schock aus Leutenbach. Auf dem dortigen Friedhof erfolgte die Beerdigung. Nicht weniger tragisch verlief das Geschick von Albert und Werner Hieber. Anna Hiebers Ehemann kehrte zwar aus dem Krieg zurück und eröffnete in Winnenden wieder seine Metzgerei mit Gastwirtschaft. Doch schon am 16. Mai 1951 verstarb er. Nur wenig später, am 10. Dezember 1952, verunglückte der Sohn tödlich. Beide wurden ebenfalls in Leutenbach bestattet.

25 Hieber_1949 Ehepaar Perlen

Robert Perlen und Ehefrau Martha, aufgenommen 1949. Foto: Privat.

Stadtarchiv Winnenden, Bildarchiv

Robert Perlen lebte mit seiner Frau noch bis Anfang Dezember 1949 in Winnenden. Beruflich wechselte er nach dem Zusammenbruch der NS-Diktatur in den Staatsdienst. 1950 wurde er Präsident des Oberlandesgerichts in Stuttgart und 1952 Präsident des vorläufigen Staatsgerichtshofs von Baden-Württemberg. Im Ruhestand übernahm er 1954 die Leitung der Abteilung Wiedergutmachung im Justizministerium. Nicht zuletzt engagierte er sich ehrenamtlich als Vorsitzender der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit. Für seinen Einsatz insbesondere beim Wiederaufbau der Justiz erhielt er 1959 das Verdienstkreuz mit Stern des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland. Perlen verstarb am 13. Mai 1961 in Stuttgart. Beigesetzt wurde er auf dem Ebershaldenfriedhof in seiner Heimatstadt Esslingen.  

Aufarbeitung und Erinnerung bis in die Gegenwart

Bereits zu Lebzeiten von Robert Perlen, im Jahr 1953, bekam die Außenfassade des Gerichtsgebäudes in Stuttgart ein Hochrelief mit dem Titel „Der Schwur“, das Perlen mit dem ersten baden-württembergischen Ministerpräsidenten Reinhold Maier und dem Juristen Josef Beyerle als Richter zeigt. Angefertigt wurde das Relief von dem Bildhauer Hermann Kress nach einem Entwurf von Professor Hermann Brachert.

28 Hieber_2025 Relief Gerichtsgebäude Stuttgart

Hochrelief „Der Schwur“ an der Außenfassade des Gerichtsgebäudes in Stuttgart. Ausführung durch den Bildhauer Hermann Kress nach einem Entwurf von Professor Hermann Brachert. Foto: Michaela Couzinet-Weber.

Stadtarchiv Winnenden, Bildarchiv

In Leutenbach beschloss der Gemeinderat die Errichtung einer Gefallenen-Gedenkstätte auf dem Friedhof. Sie wurde am 16. November 1958, dem Volkstrauertag, zusammen mit der neu gebauten Leichenhalle eingeweiht. Auf einer Tafel des Denkmals steht der Name von Anna Hieber. Da in ihrem Sterbeeintrag als Todesursache „Gefallen“ angegeben ist, gilt sie als Kriegstote.

31a Hieber_1963 Fragebogen Judenschicksale-1

Fragebogen zur Dokumentation des Schicksals von Robert Perlen während der NS-Zeit, ausgefüllt von der Stadtverwaltung Winnenden im Jahr 1963.

Landesarchiv Baden-Württemberg, Abteilung Hauptstaatsarchiv Stuttgart, EA 99/001 Bü 184
31b Hieber_1963 Fragebogen Judenschicksale-2

Fragebogen zur Dokumentation des Schicksals von Robert Perlen während der NS-Zeit, ausgefüllt von der Stadtverwaltung Winnenden im Jahr 1963.

Landesarchiv Baden-Württemberg, Abteilung Hauptstaatsarchiv Stuttgart, EA 99/001 Bü 184

1962 entstand durch Landtagsbeschluss eine Dokumentationsstelle zur Erforschung der Schicksale der jüdischen Bürger Baden-Württembergs zwischen 1933 und 1945. Für diese Einrichtung füllte die Stadtverwaltung Winnenden im Januar 1963 einen Fragebogen, Robert Perlen betreffend, aus. Auf der zweiten Seite des Dokuments ist angedeutet, dass ihm hier dabei geholfen wurde, zu überleben: „War zeitweise von Bekannten verborgen und wurde von diesen auch unterstützt.“ Als Zeugin wird außer Perlens Ehefrau die Winnenderin Centa Auhuber genannt.

In der stadtgeschichtlichen Schriftenreihe „Winnenden – Gestern und heute“ wurde 2013 ein Aufsatz von Helen Feuerbacher über „Jüdische Spuren in Winnenden (13.bis 20. Jahrhundert)“ veröffentlicht. Darin geht es in einem Teilkapitel um „Dr. Robert Perlen – in der Not versteckt von Winnender Frauen“. Für diesen Beitrag interviewte Feuerbacher Zeitzeugen des Geschehens bzw. deren Nachfahren. Aus Winnenden waren das Kurt Auhuber, Gudrun Bosch, Margret Dürr und Martha Hengel, aus Leutenbach Alfred Hieber, ein Verwandter von Anna Hiebers Ehemann, sowie aus Mainz ihr Neffe Werner Simon Vogler.   

Zur Erinnerung an das Ende des Zweiten Weltkriegs in Winnenden 70 Jahre davor fand am 19. April 2015 ein Stadtrundgang mit insgesamt zwölf Stationen statt. Die zweite Station vor den Gebäuden in der Marktstraße 7 und 9 war Anna Hieber und der Familie des Bäckermeisters Ernst Heinrich gewidmet. Der Rundgang wurde gefilmt und das Video inzwischen mehrfach öffentlich präsentiert. Überdies erschien, herausgegeben vom Stadtarchiv, das Begleitheft „Die Stunde Null. Winnenden um den 20. April 1945.“

32 Hieber_2015 Heft Stunde Null Titelblatt

Titelblatt des Begleithefts zum Stadtrundgang anlässlich des 70-jährigen Kriegsendes 2015.

Stadtarchiv Winnenden
33 Hieber_2019 StZ-Artikel Straßenbenennung

Im neuen Winnender Wohngebiet Adelsbach wurden zwei Straßen nach Anna Hieber und Robert Perlen benannt. Artikel in der Stuttgarter Zeitung am 7. November 2019.

Stadtarchiv Winnenden, Pressespiegel

2019 wurden im neuen Winnender Wohngebiet Adelsbach zwei Straßen nach Anna Hieber und Robert Perlen benannt. Des Weiteren war Hiebers beherztes Handeln Thema der virtuellen Ausstellung des Stadtarchivs anlässlich des 75-jährigen Kriegsendes 2020 und einer Stadtführung der Ortsgruppe Winnenden des Deutschen Gewerkschaftsbunds über mutige Winnender Frauen am 8. März 2022. Vom DGB-Ortsverband wurde denn auch die Anbringung einer Gedenktafel mit Stele für Anna Hieber in der unteren Marktstraße angeregt. Das Programm der Gedenkfeier am 8. März 2025 (Weltfrauentag) – mit Begrüßung, historischer Einordnung, Enthüllung der Gedenktafel, Betrachtung aus heutiger Sicht und musikalischer Umrahmung – beginnt um 11 Uhr. An der Vorbereitung der Veranstaltung maßgeblich beteiligt waren die Leitungen von Hauptamt und Stadtarchiv sowie Vertreter des Historischen Vereins Winnenden. Der Aufstellung der Gedenktafel hat der Gemeinderat am 18. Februar zugestimmt.

In Berlin erinnert eine Gedenkstätte an Menschen, die während der NS-Zeit verfolgten Jüdinnen und Juden unter Einsatz ihres Lebens beistanden. Anna Hieber war in diesem Sinne eine stille Heldin. Der Staat Israel vergibt für nichtjüdische Einzelpersonen, die zwischen 1933 und 1945 Juden vor der Ermordung retteten, die Ehrenbezeichnung „Gerechter unter den Völkern“.  Nach Stand Januar 2022 trugen weltweit 28.217 Menschen diesen Titel, darunter 651 Deutsche.

Michaela Couzinet-Weber

34 Hieber_2022 WZ-Artikel mutige Frauen

Am 8. März 2022 berichtete die Winnender Zeitung über einen Stadtrundgang der DGB-Ortsgruppe, der an mutige Winnender Frauen wie Anna Hieber erinnerte.

Stadtarchiv Winnenden